Tenner Diniz und François-Xavier Thiébaud

Interview mit unserem Edelsteinschleifer Tenner Diniz

Hallo Tenner, Du bist unser Experte für das Schleifen von Edelsteinen. Ich freue mich sehr, Dich zu treffen und mit Dir über die Kunst des Edelsteinschleifens zu sprechen und unseren Lesern interessante Einblicke zu gewähren. Aber beginnen wir ganz am Anfang, was machst Du als erstes, wenn Du Rohedelsteine erhältst?

Tenner: Du musst Dir das Szenario so vorstellen, dass die Steine dann ja meist schon gekauft sind, da ich ja nicht alles Rohmaterial persönlich einkaufe. Aber genau das ist eines der Geheimnisse eines guten Edelsteineinkäufers, schon im Vorhinein zu erkennen, was daraus einmal entstehen kann. Also auf einen Rohedelstein zu schauen und gleich mehr oder weniger das Endergebnis kalkulieren zu können. Ich spreche dann mit dem Einkäufer über das Material, und kann dann auch schon meist die Qualität einschätzen und bewerten, auch, ob der Stein den Ansprüchen von Juwelo entspricht. Manchmal kaufen wir 10 Kilo Material, aber nur die Hälfte, oder noch weniger, haben die Edelsteinqualität, die wir bei Juwelo haben wollen.

Kannst Du uns den Prozess erklären, um einen wunderschönen, geschliffenen Edelstein zu erhalten?

Tenner: Also, was machen wir konkret? Wir nehmen das Rohmaterial und beginnen mit dem Schneideprozess (siehe dazu auch Artikel https://www.welt-der-edelsteine.juwelo.de/die-kunst-des-edelsteinschleifens-tenner-diniz/). Während des Schneidens und Schleifens des Edelsteins werden Bereiche, die nicht akzeptabel sind, bereits eliminiert. Beim Schneiden eines Rubellits zum Beispiel wird man viele Einschlüsse im Rohmaterial finden, die man später natürlich nicht im Edelstein sehen möchte. Also tun wir alles, damit am Ende auch keine Einschlüsse mehr zu finden sind! Die Quarze und Topase von Juwelo sollen einwandfrei sein: keine Bläschen, keine Nadeln. Sie sollen nahezu 100% frei von sichtbaren Einschlüssen sein. Am Ende erfolgt noch einmal eine Qualitätskontrolle und wird diese nicht bestanden, bekommen die Steine noch einmal eine Nachbehandlung in Sachen Schliff.

Okay, aber wie können wir schon beim Kauf sicher sein, dass das Rohmaterial eine gute Qualität besitzt? Also ich meine, ohne viele Einschlüsse und dass die Qualität am Ende auch stimmen wird?

Tenner: Das ist eine gute Frage! Das ist es, was wir die „Expertise“ des Steins nennen. Ich sage immer: Ein Experte für Edelsteine zu werden, ist das wohl teuerste Studium der Welt! Wenn wir über die besonderen Qualitäten der Edelsteine sprechen, die Du bei Juwelo zu Gesicht bekommst, kann ich nur sagen, dass sind einige der schönsten, die die Welt zu bieten hat!
Wenn Du nicht die Erfahrung eines guten Einkäufers besitzt und trotzdem Rohedelsteine kaufen möchtest, kannst Du dich ganz leicht verkalkulieren und Tausende von Dollar verlieren! Und darum brauchen „Edelsteinjäger“ und -einkäufer eine jahrelange Erfahrung, bevor sie ein Stück Rohedelstein so genau einschätzen können.

Was ist ein gut geschliffener Edelstein?

Tenner: Wenn Du den Schliff eines Edelsteins klassifizieren möchtest, gibt es verschiedene internationale Skalen. Das beginnt mit “exzellent“, dann folgt „sehr gut“, „gut “, „schlecht” und „sehr schlecht”. „Exzellent“ bis „sehr schlecht“ stuft dabei ab, wie gut die einzelnen Facetten miteinander verbunden und gekoppelt sind. Zeigt der Stein eine gute Brillanz und lässt das Licht nicht einfach komplett durch den Stein hindurch, ist der Stein ausbalanciert geschliffen worden.

Wie entscheidest Du, welchen Schliff und welche Größe ein Stein bekommen wird?

Tenner: In der Welt der Edelsteine müssen wir den Preis pro Karat berücksichtigen und stets gut im Auge behalten. Wenn wir Gewicht zugunsten eines bestimmten Schliffs opfern müssen, sollte der Stein dafür an Qualität gewinnen können. Ein Beispiel: Ich kaufe einen Paraìba-Turmalin für 10.000 US$, schleife ihn oval und erhalte einen 10 ct schweren Edelstein, das macht  1.000 US$ pro Karat. Schleife ich ihn rund, bekomme ich vielleicht nur einen 5 ct schweren Edelstein und das Stück Rohedelstein hat mich trotzdem 10.000 US$ gekostet. Also kostet das fertige Stück theoretisch dann nicht mehr 1.000, sondern 2.000 US$ pro Karat. Der Schliff kann quasi den Preis verdoppeln! Wenn Du also einen Rund-, Trillant- oder Fancy-Schliff siehst, bedenke immer, wie viel „Abfall“ entstanden ist, und schaue mit dem Wissen dann noch einmal auf den Preis! Daher meine Empfehlung: Wenn Du einen 2-karätigen ovalen und einen 2-karätigen runden Stein siehst, wähle den runden.

Du hast mit 17 angefangen, Edelsteine zu schleifen. Kennst Du alle Edelsteine dieser Welt oder bist selbst Du manchmal noch überrascht?

Tenner: Ich lerne jeden Tag dazu! Wir können uns wirklich glücklich schätzen, Teil der Juwelo-Familie zu sein, denn dadurch können wir jeden Tag mit diesen fantastischen Edelsteinen arbeiten. Das Schleifen von Zultaniten zum Beispiel fordert uns jeden Tag aufs Neue heraus. Aber hör mal, wenn jemand sagt, er wisse alles über Edelsteine, hat er wirklich noch eine Menge zu lernen! Also, ich lerne jeden Tag etwas Neues. Ich versuche mein Bestes in Bezug auf die Schliffe zu geben, der Verbesserung der Qualitätskontrolle, die Farben in den Edelsteinen besser zu verstehen … Trotzdem hoffe ich, in zehn Jahren noch zehnmal so viel zu wissen.

Ein Kollege hat mich gefragt, ob Du aus jedem normalen Stein, den man Dir bringt, einen schönen Edelstein schleifen kannst?

Tenner: Per Definition kannst du jeden Stein schleifen, wenn er hart genug ist und die richtigen Voraussetzungen mitbringt, auch einen Stein, den Du auf der Straße aufgelesen hast. Allerdings wird das Ergebnis eben genau von dieser Qualität abhängen. Jeder Edelstein ist ein Stein, aber nicht jeder Stein ist auch ein Edelstein!

Sind manche Edelsteine schwerer zu schleifen als andere?

Tenner: Ja, und danach funktioniert auch unsere Schleiferei: manche Schleifer sind Experten für bestimmte Edelsteine, haben aber für andere Edelsteine nicht die gleiche Expertise. Sie können Quarz oder Topas, aber nicht Petalit schleifen, oder Aquamarin, aber keinen Petalit. Manche Edelsteine werden nicht nach ihrem Preis klassifiziert, sondern nach den Schwierigkeiten ihn zu schleifen.
Der Petalit ist einer der am schwersten zu schleifenden Steine, die ich kenne. Oder Kunzit: Auf einer Skala von 1 bis 10 ist er eine 10! Auch hier lernen wir ständig dazu.

Ich habe gehört, dass es sogar Wettbewerbe im Edelsteinschleifen gibt. Hast Du jemals an einem teilgenommen?

Tenner: Unglücklicherweise habe ich nicht mehr viel Zeit für so etwas. Aber früher, als ich mit dem Schleifen begann, habe ich an einigen Wettbewerben teilgenommen. Ich habe sogar zwei Awards für die „beste Form“ bekommen und einen zweiten Platz für das beste „Schliffkonzept” belegt, worauf ich besonders stolz bin.
Aber das mache ich mit meinem Team im Grunde jeden Tag: Neue Schliffe ausprobieren, neue Techniken, neue Geräte, wir probieren alles aus, was Juwelo weiterbringt! Wenn wir einen neuen Schliff ausprobieren, können wir uns sicher sein, dass uns andere nach spätestens 6 Monaten kopieren. Aber meinetwegen, kein Problem, wir erfinden einfach neue Schliffe!

Hast Du noch eine besondere Geschichte, die Du erzählen möchtest?

Tenner: Also, vielleicht eine kleine Story über einen Schliff, den ich kreiert habe, den „Bubble-Schliff“. Er sieht erst einmal einfach aus, ist aber äußerst kompliziert umzusetzen und braucht eine Menge Präzision und Geduld beim Schleifen. Und, glaub es oder nicht, keiner meiner männlichen Edelsteinschleifer hat es hinbekommen, nur meine Schleiferinnen! Sie haben die Männer 10:0 geschlagen!