Blauer Stern-Saphir

Der Stern von Indien

Ich bin Ihnen ja noch etwas schuldig! Kürzlich kündigte ich die interessante und ebenso spannende Geschichte des „Sterns von Indien“ an, auf die ich beim Schreiben über den Asterismus oder Sterneffekt gestoßen war. Es ist die Geschichte des größten geschliffenen Stern-Saphirs der Welt. Und wie sich später noch zeigen wird, kann die Geschichte dieses Edelsteins nicht geschrieben werden, ohne auch die Geschichte eines Surf-Champions zu erzählen!

Fakten

Aber erst einmal ein paar Tatsachen vorweg: der „Stern von Indien“ ist mit einem Karatgewicht von 536 ct der wohl größte jemals geschliffene Saphir und zeigt zudem den großartigen Effekt eines 6-strahligen Sterns. Das Besondere an diesem Stern ist, dass der Asterismus von beiden Seiten, also an Ober- und Unterseite, zu sehen ist.
Gefunden wurde der grau-blaue Korund vor etwa 300 Jahren auf Sri Lanka und wurde 1901 von dem Finanzier John Pierpont Morgan an das „American Museum of Natural History“ in New York übereignet. Seitdem ist er – mit einer kurzen Unterbrechung 1964 – dort ausgestellt und kann auch besichtigt werden. Wie genau der „Stern von Indien“ in den Besitz von J.P. Morgan gelangte, ist nicht eindeutig geklärt, wahrscheinlich nahm der Edelstein seinen Weg über Europa.
Nun kann man sich fragen, warum ein Edelstein, der auf Sri Lanka (bis 1972 Ceylon) gefunden wurde, nicht vielleicht treffender mit „Stern von Ceylon“ betitelt wurde. Dies ist wahrscheinlich auf die damalige Kolonialzeit zurückzuführen, Ceylon wurde 1815 Teil des Britischen Empires. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass der Stein auf dem Kontinent verkauft wurde und somit fälschlicherweise für einen Stein aus Indien gehalten wurde.
Wie dem auch sei, all diese Fakten wären schon Grund genug, über diesen Edelstein zu schreiben. Allerdings ist die Geschichte des Sterns von Indien auch untrennbar mit dem „Juwelenraub des Jahrhunderts“ verbunden, wie ihn die Zeitungen in den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts betitelten.

Der Juwelenraub des Jahrhunderts

Am 29. Oktober 1964 wurde der golfballgroße Edelstein, zusammen mit weiteren Edelsteinen, aus dem naturhistorischen Museum in Manhattan gestohlen – mit einem damaligen Gesamtwert von knapp einer halben Million US-Dollar. Mit dem Stern von Indien wurde unter anderem auch der Mitternachtsstern (ebenfalls ein Sternsaphir), der DeLong-Sternrubin und der Eagle-Diamant entwendet.

Der Coup war simpel im Plan und offensichtlich genauso einfach in der Ausführung. Und zu guter Letzt kam dann auch noch der Zufall zu Hilfe:
Die Diebe öffneten bereits während der Öffnungszeiten des Museums ein Fenster in den Toilettenräumen, durch das sie nachts einstiegen. Ganz wie im Film „Topkapi“ sollen sich die Diebe in das Museumsinnere, der J.P. Morgen-Halle, abgeseilt haben. Das einzige Ausstellungsstück im Raum der Edelsteinsammlung, das durch einen Alarm gesichert war, war der „Stern von Indien“. Und wie der Zufall es wollte, war die Batterie des Alarms leer oder defekt- jedenfalls nicht funktionstüchtig. Und so bedienten sich die Diebe in den Schaukasten nach Belieben, stahlen insgesamt 22 Edelsteine aus dem schlecht gesicherten Museum und verschwanden schließlich auf demselben Wege, wie sie gekommen waren.

Gelungener Coup
Doch die Freude der Diebe über den gelungenen Coup währte nur kurz, denn die Polizei konnte sie binnen zwei Tagen überführen. Zusammen mit zwei Komplizen wurde der ehemalige Surf-Champion Jack Murphy gefasst, der wegen seiner Erfolge im Windsurfen (er gewann unter anderem die „National Hurricane Surfing“-Meisterschaft) auch unter dem Namen „Murph the Surf“ berühmt war. Der Polizei bekannt war der begnadete Fassadenkletterer, Tennis-Spieler, Künstler und Autor aber vor allem wegen Einbrüchen und Schmuggelgeschäften und so führte die Spur schnell zu ihm. Das kostbare Diebesgut konnte bei den Festnahmen allerdings nicht sichergestellt werden.
Teile der Beute fanden sich nur etwa 2 Monate später an einem recht bizarren Ort an: einem einfachen Schließfach in einer Busstation in Miami. Darunter befand sich auch der „Stern von Indien“, der im Übrigen nicht einmal versichert war! Während die meisten der anderen Edelsteine ebenfalls wieder auftauchten, wurde der Eagle-Diamant nie wieder gesehen.
Die Diebe erhielten eine Gefängnisstrafe von drei Jahren. Nachdem „Murph the Surf“ seine vielseitigen Talente nach seiner Entlassung nicht in die richtigen Bahnen lenken konnte, wurde er 1968 wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. 1975 erschien ein Film über das Leben des Meisterdiebs.

Der Stern von Indien jedoch befindet sich wieder sicher in seiner Vitrine im Museum und ist hoffentlich inzwischen auch gut versichert!